Am 20. September hat der
neue mongolische Botschafter in Deutschland Dr. D. Ganbat an Bundespräsident
Frank-Walter Steinmeier sein Beglaubigungsschreiben übergeben.
Eine Woche später haben wir
uns mit ihm in seinem Büro in der mongolischen Botschaft am Hausvogteiplatz in
Berlin zu einem Gespräch über die aktuelle politische und wirtschaftliche Lage
in der Mongolei, über Aufgaben und Ziele seiner künftigen Arbeit, über seinen
beruflichen Werdegang und über seine Familie verabredet.
MO:
Herr Botschafter, würden Sie sich den Lesern von MongoleiOnline kurz vorstellen?
G.:
Sehr gern.
Mein Vater Damba stammt aus dem Bayankhongor-Aimag, ein Aimag, der übrigens
mehrere Botschafter hervorgebracht hat.
Mein Vater und sein Vorfahren lebten rund um das Kloster „Lamyn Gegeenii Khiid",
20 km vom Aimag-Zentrum entfernt. Es gehörte damals zu den größten Klöstern der
Mongolei.
1937 ist es fast vollständig zerstört worden.
Sein ganzes Arbeitsleben hat mein Vater für die Wasserbehörde der Mongolei
gearbeitet, zuletzt war er Erster Stellvertretender Minister.
Meine Mutter Galya stammt aus einer burjatischen Familie im Batsumber-Sum des
Tuv-Aimags.
Meine Frau Bayarmagnai
Temuulen wurde im Dadal-Sum des Khentii-Aimags geboren. Sie hat Slawistik in der
damaligen Sowjetunion studiert. Ihre neue akademische Ausbildung im Journalismus
hatte sie nach 1990 in der Mongolei abgeschlossen.
Nach der Wende hat sie am Aufbau der neuen Medien in der Mongolei mitgewirkt.
Sie gehörte 1997 zu den Mitbegründern von
www.news.mn, der Tageszeitungen „Ardyn Erkh" und „Ugluunii Sonin", für die
sie bis 2017 gearbeitet hat.
Ich selbst bin ein
waschechter Hauptstädter, 1962 in Ulaanbaatar geboren.
Aber natürlich besuchen wir oft unsere Verwandten im Bayangobi-Sum im
Bayankhongor-Aimag. Hier gehören vor allem Kamele zu den wichtigen Nutztieren.
Meine Frau und ich sind Eltern von zwei Töchtern und vier Söhnen.
Die jüngste Tochter lebt mit uns in Berlin und besucht eine internationale
Schule.
Von 1979 bis 1984 habe ich
mein Philosophiestudium an der Uralischen Staatlichen Universität Swerdlowsk im
heutigen Jekaterinburg abgeschlossen und anschließend bis 1990 als Dozent an der
Parteihochschule in Ulaanbaatar gearbeitet.
Dann kam die Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs und wir haben trotz aller
Schwierigkeiten die neuen Möglichkeiten, sich an der Gestaltung der Gesellschaft
zu beteiligen, genutzt.
Von 1990 bis 1993 arbeitete ich in der neu geschaffenen Akademie für
Staatlichkeit und Gesellschaftslehre, bis 1996 an der Akademie für politische
Bildung.
Seit dieser Zeit arbeiten wir u. a. eng mit der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS)
zusammen.
1996 wurde ich als Experte in die Koordinationseinheit für Kredite und
Entwicklungshilfe im Büro des Ministerpräsidenten berufen.
Zwei Jahre lang arbeitete ich im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten und
Handel, war der Koordinator für das TACIS-Programm der EU in der Mongolei, ehe
ich zum Geschäftsführer der Akademie für politische Bildung ernannt wurde. Diese
Aufgabe erfüllte ich bis 2010 und während dieser Zeit war ich an der Gründung
der Liberty Graduate School of Social Science beteiligt und fungierte
gleichzeitig als ihr Direktor.
Von 2010 bis 2017 leitete ich das Institut für strategische Studien und gehörte
in dieser Eigenschaft dem Nationalen Sicherheitsrat der Mongolei an.
Im Laufe meiner beruflichen Arbeit habe ich selbstredend an verschiedenen
Weiterbildungsmaßnahmen im In- und Ausland teilgenommen. Von 1994 bis 1996
hospitierte ich an der Export-Akademie Baden-Württemberg GmbH im Fach
„Projekt-Management".
Ehrenamtlich leite ich seit 2002 das internationale Umfrageprojekt „Asian
Barometer". Seit 2016 bin ich Vorstandsvorsitzender der Akademie für politische
Bildung.
MO:
Nach den Wahlen zur Großen Staatsversammlung 2016 gab es einen
Regierungswechsel.
Änderten sich damit auch Prinzipien der mongolischen Außenpolitik?
G.:
Nein.
Nach den am 10. Februar 2011 im Großen Staatskhural verabschiedeten Richtlinien
für die Außenpolitik der Mongolei verfolgen wir eine Politik des „Dritten
Nachbarn".
Dritte Nachbarn sind für uns die USA, Japan, die Europäische Union, Indien,
Südkorea, die Türkei und andere.
Unser Land profitiert von der engen Zusammenarbeit mit den hochentwickelten
Ländern im Osten und im Westen in den Bereichen Politik, Wirtschaft,
Verteidigung und Kultur.
Darüber hinaus verbindet uns mit der Volksrepublik China, unserem direkten
südlichen Nachbarn, eine umfassende strategische Partnerschaft, mit Russland,
Japan und Indien eine strategische Partnerschaft, mit Südkorea, den USA,
Deutschland und der Türkei eine umfassende Partnerschaft. Erweiterte
partnerschaftliche Beziehungen unterhalten wir mit Kanada und Australien.
Allein schon wegen der
geografischen Nähe kommt den Beziehungen zu unseren beiden großen Nachbarländern
im Norden und Süden, Russland und China, eine herausragende Rolle zu.
80 Prozent unserer Exporte und 30 Prozent unsere Importe entfallen auf die VR
China.
Allein aus der VR China stammen 40 Prozent aller ausländischen
Direktinvestitionen.
90 Prozent unseres Bedarfs an Erdölprodukten werden von Russland gedeckt.
2009 unterzeichneten die Mongolei und Russland das Abkommen über die Entwicklung
einer strategischen Partnerschaft, mit China wurden die Vereinbarungen über eine
„allseitige umfassende strategische Partnerschaft" 2014 getroffen.
MO:
Welchen Standpunkt vertritt die Mongolei hinsichtlich
des Atomstreits zwischen Nordkorea und den USA?
G.:
Für Frieden und Sicherheit in Nordostasien sind
stabile Verhältnisse auf der koreanischen Halbinsel eine unabdingbare
Voraussetzung.
Die Mongolei tritt wie andere Länder der Region für eine atomwaffenfreie Zone
auf der koreanischen Halbinsel ein.
Der Konflikt zwischen Nordkorea und den USA kann nur durch Gespräche und
Vereinbarungen gelöst werden.
Nordkorea sollte bei allen internationalen Verhandlungen über die entstandenen
Probleme zu den Teilnehmern zählen.
MO: Wie werten Sie die
aktuelle politische und wirtschaftliche Situation der Mongolei?
G.:
Im Oktober hat die neue Regierung unter Leitung
von Ministerpräsident Herrn Ukhnaagiin Khurelsukh ihre Arbeit aufgenommen.
Der Ministerpräsident hat bekräftigt, das
Programm der MVP, die die Wahlen zum Großen Staatskhural im Juni 2016 haushoch
gewonnen hatte, umzusetzen. Das gälte auch für das Programm der
Vorgängerregierung für 2016 bis 2020.
Die neue Regierung hat sich zum Ziel gesetzt, die Wirtschaft wieder zu beleben,
den sozialen Sektor zu fördern und die Lebensbedingungen der Menschen zu
verbessern, kurz gesagt: die Wirtschafts- und Finanzkrise in möglichst naher
Zukunft zu überwinden.
2011 staunte die Welt über unser Wirtschaftswachstum von 17 Prozent, 2016 war es
nur mehr ein Prozent.
Die Weltmarktpreise für unsere Hauptexportgüter Kupfer und Kohle waren gesunken,
wir mussten einen enormen Rückgang der ausländischen Investitionen verkraften.
Die mongolische Wirtschaft ist zunehmend abhängig vom Bergbau geworden.
90 Prozent aller Exporte stammen aus dem Bergbau, 80 Prozent aller Investitionen
fließen in den Bergbau.
Die Maßnahmen zur
Überwindung der Krise – mehr Haushaltsdisziplin, eine nachhaltige Finanzpolitik,
steigende Rohstoffpreise und die Auswirkungen des mit dem IWF vereinbarten
Programms zur erweiterten Kreditvergabe zeitigen erste Früchte.
Im ersten Halbjahr 2017 wuchs die Wirtschaft um 5,3 Prozent.
Nach Schätzungen der Weltbank könnte die Wirtschaft in diesem Jahr insgesamt um
2,8 Prozent, 2018 um 3,1 und 2019 sogar um 7,1 Prozent wachsen.
Die Inflationsrate soll mittelfristig acht Prozent nicht übersteigen.
Im Ergebnis einer effektiveren Goldhandelspolitik der Mongolbank verkauften bis
zum 02. Oktober 2017 Unternehmen und Einzelpersonen 15,1 Tonnen Gold an die
mongolische Zentralbank, 1,3 Tonnen mehr als im Vergleichszeitraum des
Vorjahres.
Auch die ausländischen Investoren kehren zurück.
In den ersten acht Monaten dieses Jahres investierten sie 760 Millionen USD.
Das Außenhandelsvolumen erreichte 6,8 Milliarden USD, eine Steigerung um 32,7
Prozent. Dabei entfielen auf den Export eine Milliarde oder 37 Prozent, auf den
Import 580 Millionen USD.
MO: Welche Wünsche haben Sie
bezüglich der zukünftigen Mongolisch-Deutschen Entwicklungszusammenarbeit?
G.:
Seit die Mongolei Anfang der 1990er Jahre begann, eine
eigenständige Außenpolitik zu verfolgen, gehörte neben unseren beiden direkten
Nachbarländern Deutschland als eines der führenden EU-Mitgliedsländer zu unseren
wichtigsten Partnern.
Unsere traditionell guten Beziehungen konnten so immer weiter ausgebaut werden.
Im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit gewährte uns Deutschland 350 Millionen
Euro an zinsgünstigen Krediten und kostenlose Hilfe, die wesentlich dazu
beigetragen haben, die Schwierigkeiten während der Transformationsjahre zu
überwinden.
Aber Deutschland half nicht nur mit Krediten, auch mit technischem Know-how.
Gemeinsam realisieren wir bedeutende Wirtschaftsprojekte.
Und natürlich haben wir großes Interesse an mehr deutschen Direktinvestitionen,
am Bau gemeinsamer Betriebe.
Mit Russland und China grenzen wir an einen der größten Märkte weltweit.
Es gibt viele Möglichkeiten für die Kooperation kleiner und mittlerer
Unternehmen, für die Ausbildung junger Mongolen in technischen Berufen.
MO: Gibt es konkrete
Projekte für mehr deutsche Direktinvestitionen in der Mongolei?
G.:
Eine der anspruchsvollsten Aufgaben der Botschaft ist
es, die deutsche Wirtschaft mit attraktiven Investitionszielen in der Mongolei
bekannt zu machen, das Interesse deutscher Unternehmer, in der Mongolei zu
investieren, zu wecken und zu fördern.
Schon jetzt gibt es einige gemeinsame Wirtschaftsprojekte, die sich im Stadium
der Umsetzung befinden.
Zum Beispiel realisieren die
Mongolische Gold Corporation (MAK) und das deutsche Industrieunternehmen
Ferrostaal Industriel Projects GmbH aus Essen ein 750-Millionen-Euro-Projekt für
den Bau eines Kupferverarbeitungsbetriebes.
Mit der Errichtung des Windkraftparks mit einem Investitionsvolumen von 110
Millionen USD ist im Oktober dieses Jahres begonnen worden.
Die Mongolei ist reich an Bodenschätzen, die deutsche Wirtschaft benötigt
Rohstoffe.
Dies bietet gute Möglichkeiten für den Bau gemeinsamer Betriebe zur
Rohstoffverarbeitung oder zur Stromgewinnung.
MO:
Was halten Sie vom Ergebnis der
Bundestagswahlen am 24. September?
G.:
Die Wahlen in Deutschland habe ich mit großer Aufmerksamkeit verfolgt.
Für uns ist Deutschland auch hinsichtlich seiner politischen Kultur, seiner
demokratischen Verfasstheit von großem Interesse.
Da eine Große Koalition offenbar ausgeschlossen wurde, dürfen wir alle gespannt
sein, ob eine „Jamaika"-Koalition tatsächlich zustande kommt.
Für uns ist dieser Prozess der Koalitionsbildung, des Findens von Kompromissen
zwischen so unterschiedlichen Partnern sehr interessant.
MO:
Herr Botschafter, wir danken Ihnen für das Gespräch, und dafür, dass Sie sich
die Zeit genommen haben, die Fragen von MongoleiOnline zu beantworten.
Für Ihre anstrengende und verantwortungsvolle Arbeit wünschen wir Ihnen Kraft
und Erfolg.
Mögen Sie trotzdem auch Stunden der Muße finden, gemeinsam mit ihrer Familie
Land und Leute ihrer neuen Heimat auf Zeit kennenzulernen.
G.:
Auch ich danke Ihnen.
Das Gespräch führte Renate
Bormann am 28. September 2017.